Schuldgefühle nach einer Fehlgeburt: Ursachen und Wege zur Bewältigung

Als wir in der 23. SSW die Diagnose Glasknochenkrankheit schweren Grades bekamen, brach eine Welt für mich zusammen. Unser Kind war nicht gesund und würde nicht bei uns bleiben. Ich war wie versteinert. Alle Bilder von unserem Leben als Familie waren plötzlich geplatzt. Nach drei Wochen Hoffen und Bangen, dass die Ärzte sich vielleicht doch geirrt haben, brachte ich unseren kleinen Schatz in der 26. SSW still auf die Welt.

Warum passiert mir das? Was habe ich falsch gemacht? Warum bestraft mich das Universum? Darf ich nicht Mutter werden? Tausend Fragen, auf die es keine Antwort gab, und das Gefühl, ich sei doch irgendwie schuld daran, dass mein Baby nicht gesund war und nicht bei mir geblieben ist.

Ein Schwangerschaftsverlust ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, die eine Frau machen kann. Neben der Trauer und dem Verlust empfinden viele Frauen auch starke Schuldgefühle. Sie fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht haben, ob sie zu viel Stress hatten oder ob ihre Lebensweise den Verlust verursacht hat. Diese Schuldgefühle sind tief verwurzelt und können die Heilung erheblich erschweren. Doch warum leiden Frauen unter diesen Gefühlen, und wie können sie lernen, damit umzugehen, um wieder inneren Frieden zu finden?

Warum Frauen unter Schuldgefühlen leiden

1. Gesellschaftliche Erwartungen und Druck

Frauen sind oft mit unrealistischen Erwartungen und gesellschaftlichen Idealen konfrontiert. Die Vorstellung, dass eine Frau die „perfekte“ Schwangerschaft haben sollte, setzt sie unter enormen Druck. Ein Schwangerschaftsverlust kann dann als persönliches Versagen empfunden werden, obwohl er meist auf biologische oder medizinische Gründe zurückzuführen ist, die außerhalb der Kontrolle der Frau liegen.

2. Mangel an Information

Viele Frauen wissen nicht, wie häufig Fehlgeburten tatsächlich sind. Etwa 10-20% aller bekannten Schwangerschaften enden in einer Fehlgeburt. Ein Mangel an Wissen und Aufklärung führt dazu, dass Frauen sich allein und isoliert fühlen und glauben, sie seien die einzigen, die so etwas erleben.

3. Körperliche Empfindungen

Der weibliche Körper durchläuft während einer Schwangerschaft viele Veränderungen. Wenn eine Fehlgeburt auftritt, fragen sich Frauen oft, ob sie etwas tun hätten können, um dies zu verhindern. Körperliche Symptome wie Blutungen oder Schmerzen können zusätzlich die Angst verstärken, etwas falsch gemacht zu haben.

4. Emotionale Bindung

Schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft entwickelt sich eine starke emotionale Bindung zum ungeborenen Kind. Der Verlust wird als ein tiefer persönlicher Verlust erlebt, was Schuldgefühle und Selbstvorwürfe verstärken kann.

5. Das Bedürfnis nach Kontrolle

Ein grundlegender Aspekt der Schuldgefühle ist das Bedürfnis nach Kontrolle. Menschen neigen dazu, nach Ursachen und Verantwortlichkeiten zu suchen, wenn etwas schiefgeht. Das gibt ihnen das Gefühl, dass sie in der Zukunft ähnliches Leid verhindern könnten. Dieses Bedürfnis nach Kontrolle ist tief in uns verwurzelt und kann in Krisenzeiten verstärkt auftreten. Schuldgefühle bieten eine scheinbare Erklärung für den Verlust und geben den Frauen das Gefühl, sie könnten in Zukunft durch bestimmtes Verhalten oder Vorsichtsmaßnahmen eine weitere Fehlgeburt verhindern.

Wege zur Bewältigung von Schuldgefühlen

1. Sich selbst informieren

Sich über die Ursachen von Fehlgeburten zu informieren, kann helfen, die eigenen Schuldgefühle zu lindern. Fehlgeburten sind oft das Ergebnis von Chromosomenanomalien, die nicht verhindert werden können. Das Verständnis, dass viele Fehlgeburten medizinische Gründe haben, kann dazu beitragen, Selbstvorwürfe abzubauen.

2. Offener Austausch

Mit anderen Betroffenen zu sprechen oder professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, kann sehr hilfreich sein. Der Austausch mit anderen Frauen, die ähnliches erlebt haben, kann Trost spenden und das Gefühl der Isolation vermindern.

3. Selbstfürsorge praktizieren

Selbstfürsorge ist in dieser Zeit besonders wichtig. Rituale wie das Schreiben eines Briefes an das verlorene Kind, das Anlegen eines Gedenkplatzes oder das Pflanzen eines Baumes können helfen, die Trauer zu verarbeiten. Auch regelmäßige Pausen, gesunde Ernährung und sanfte Bewegung unterstützen die körperliche und emotionale Heilung.

4. Achtsamkeit und Meditation

Techniken wie Achtsamkeit und Meditation können helfen, negative Gedankenmuster zu durchbrechen und innere Ruhe zu finden. Achtsamkeitsübungen fördern die Selbstakzeptanz und können helfen, sich wieder positiv auszurichten.

5. Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen

Unterstützung durch einen Therapeuten oder Coach kann helfen, die emotionalen Wunden zu heilen. In meiner Arbeit geht es darum die betroffene Frau in ihrem Trauerprozess zu begleiten, Selbstverurteilung zu überwinden und neue, gesunde Denkweisen zu entwickeln, die Hoffnung und Zuversicht geben für den weiteren Kinderwunschweg.

6. Partner und Familie einbeziehen

Auch Partner und Familienmitglieder trauern und können unter Schuldgefühlen leiden. Offene Kommunikation und gegenseitige Unterstützung sind wichtig. Paartherapie kann dabei helfen, die Beziehung zu stärken und gemeinsam den Verlust zu bewältigen.

Fazit

Schuldgefühle nach einer Fehlgeburt sind weit verbreitet. Sie können den Heilungsprozess erheblich behindern, wenn sie nicht angesprochen und bearbeitet werden. Es ist wichtig, sich selbst Zeit zu geben, die eigenen Gefühle zu akzeptieren und professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn nötig. Durch Aufklärung, Austausch und gezielte Selbstfürsorge können Frauen lernen, ihre Schuldgefühle zu überwinden und wieder Hoffnung und Vertrauen in sich selbst und ihren Körper zu finden.

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